Wer die Geschichte von der Stalinallee kennt, weiß dass ich im Westberlin der 50iger Jahre aufgewachsen bin. Es war wirklich eine politisch spannende Zeit.
Die Freunde meiner Eltern wohnten in Ostberlin und vor dem Mauerbau konnte man ja von hüben nach drüben, so wie man wollte. Zwar guckten Volkspolizei, Stasi und DDR-Zoll immer in der S-Bahn nach Menschen die über die Grenze wollten. Aber überall konnten sie denn doch nicht sein.
Viele Ostberliner nutzten die S – Bahn zur Flucht in den Westen. In Marienfelde gab es das große Westberliner Aufnahmelager, das Tausenden von Menschen aus der Ostzone vorübergehend Obdach bot, bis sie in weitere Auffangstellen in die Bundesrepublik Deutschland mit dem Flugzeug gebracht wurden.
Mein Vater hatte Dienst, er war bei der Westberliner Polizei und meine Mutti war mit ihrer Freundin zu einer Dampferfahrt im Berliner Osten verabredet. Es sollte an den größten See Berlins gehen, an den Müggelsee. Meine Mutti war eine sparsame Frau, und so hatte sie Buletten, Kartoffelsalat und alles eingepackt, was man so für einen Ausflug brauchte. Da man Geld umtauschte und der Kurs 1:8 stand, war eine Fahrt in den Ostberliner Gewässern eben günstiger als über den Wannsee zu plätschern.
Man konnte nicht miteinander telefonieren, Telefonate zwischen Ost und West wurden überwacht und wer besaß schon ein Telefon? So konnte man sich nur Postkarten schreiben oder bei einem vorherigen Treffen etwas Neues verabreden.
Als wir bei der Freundin meiner Mutti ankamen, regnete es fürchterlich. Die Dampferfahrt fiel buchstäblich ins Wasser.
Doch es gastierte gerade der berühmte Ostberliner Zirkus Busch in der Stadt. Zirkus war früher eine Sensation. Also fuhren wir mit der S-Bahn dorthin.
Aber es gab für den Nachmittag keine Karten mehr und so mussten wir wieder nach Hause fahren. In der Einkaufstasche hatte meine Mutter immer noch die Buletten und den Kartoffelsalat.
Die Bahn fuhr die letzte Station im Berliner Osten an. Die nächste war der ANHALTER BAHNHOF und wir wären im Westen gewesen.
Da tippte ein Herr im Trenchcoat meiner Mutti auf die Schulter und sagte: "Unauffällig aussteigen, bitte."
Mir rutschte das Herz ich weiß nicht wohin. Sah uns mal wieder verhaftet. Man sah sich immer verhaftet.
Meine Mutter wurde in ein Häuschen auf dem Bahnhof begleitet, wo man sie gewissenhaft untersuchte und befragte und ich kam in Dienstraum des Zugabfertigers der ebenfalls mit Volkspolizei und Zollbeamten besetzt war. Auch ich wurde befragt. „Nein, ich kam nicht aus der Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik. Ich kam aus Westberlin“. Wurde zum Beruf meines Vaters befragt und warum wir in die Hauptstadt gekommen waren. Sie waren aber trotzdem sehr freundlich. Und dann durfte ich gehen. Meine Mutti hatte auch ihre Aussagen gemacht und erlöst fuhr man gen Westen.
Wenn ich jetzt über 50 Jahre später überlege, dass doch meine Eltern jedes zweite Wochenende eventuell diese Schikanen auf sich genommen haben nur um ihre Freunde zu sehen, frage ich mich ob die jungen Menschen von heute auch noch willens wären Freundschaften unter ähnlichen Umständen zu führen.
Sonntag, 15. November 2009
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